Geschichte der Wachsstöcke

Brauchtum um den Wachsstock
Bei den Frühmessen oder abendlichen Rosenkränzen stellte man die Wachsstöcke auf den Betstuhl. Damals gab es doch kein elektrisches Licht. Erst im Schein des Kerzenlichtes war es möglich, im Gebetbuch zu lesen. In der kalten Jahreszeit konnte man zudem an der warmen Flamme die oft blaugefrorenen Finger etwas aufwärmen. Der Geruch von angebranntem Holz schreckte manche Bäuerin aus ihrer Andacht, weil sie ja doch wieder vergessen hatte, den Wachsstock umzudrehen und das Licht neu aufzustellen. Noch heute können wir auf alten Kirchenbänken schwarze Brandflecken finden, die Geistlichkeit und Mesner nicht gerade erfreuten. Das elektrische Licht verdrängte schließlich den Wachsstock aus der Kirche. Für den häuslichen Gebrauch brannte der Wachsstock vor allem beim samstäglichen Hausrosenkranz, am Allerseelentag und in der Woche danach, wenn man für die Verstorbenen betete.

"Dirn i hob Dir an Wachsstock gebn, jetzt muast mi meng"
Dieser Spruch erklärt, dass der Wachsstock auch in der Liebschaft eine große Rolle spielte. So zum Beispiel schenkte am Lichtmesstag (2. Februar) der Knecht der Magd einen Wachsstock. Dies als Dank dafür, dass sie ihm das ganze Jahr hindurch den Strohsack aufschüttelte oder das Bett machte. Je größer die Liebe war, desto prachtvoller war der Wachsstock. Als verheiratete Bäuerin stellte sie dann diese Prachtstücke in den Glasschrank der guten Stube als immerwährendes Zeichen schöner Erinnerungen. Mütter gaben ihren unverheirateten Töchtern am 2. Februar ebenfalls einen Wachsstock.

Prachtstücke wurden nie angezündet, im Gegenteil, man steckte sie sorgfältig zwischen die kunstvoll gelegten Leinwandballen und geflochtenen Flachsdocken des Aussteuerschrankes. In der Brautausstattung einer niederbayerischen Großbauerntochter gehörte 1874 "ein ganzer Korb voll Wachs, wenigstens 25 Pfund". Das waren die Lichtmessgeschenke der Mutter. Ein Riesenwachsstock in einem schön geflochtenen Strohkorb war ein eigenes Hochzeitsgeschenk der Mutter und sie ließ ihn während der Trauung ihrer Tochter anzünden.

In der Blütezeit wurden Wachsstöcke zu allen möglichen Anlässen geschenkt: Zur Erinnerung, Hochzeit und Taufe. An Weihnachten waren die Wachsstöcke mit Christkinderln verziert. Außerdem gab es Wallfahrtsandenken in der Form von Wachsstöcken. Auch als "Fleißbillettl" bekam man sie bei besonders guten Leistungen von der Lehrerin geschenkt. All diese Wachsstöcke standen nicht nur als Zierrat in der Wohnung. Nach der Weihe am Lichtmesstag wurde ihnen der besondere Schutz vor Krankheit und Unglück zugesprochen. Diese heilbringende Wirkung erhielten sie auch durch die Weihe an bestimmten Wallfahrtsorten, wie z.B. in Altötting und Mariazell. Stand man vor einer schwierigen Aufgabe, nahm man den Wachsstock als "Gweichtl" in der Rocktasche mit sich, um das Böse fernzuhalten.

Bei schwerer Krankheit, Geburt, Unwetter und bei besonderen Anlässen zündete man in bestimmten Gegenden Bayerns den geweihten Hausstock an. Bei diesem Wachsstock handelte es sich um einen übergroßen Wachsstock, dessen "Seeleninneres" ein Holzkern war. Um diesen Holzkern wurde der Wachsstöckerlstrang mehrlagig gewickelt. Wie der Rosenkranz, war der Wachsstock Zeichen eines religiösen und frommen Lebens, beide wurden den Toten mit ins Grab gegeben.

Quelle: Lebzelten, Wachsstöcke, Votivgaben von Hans Hipp 1984

Maria Lichtmess 2. Februar
 Maria Lichtmess, der Tag mit dem sich der weihnachtliche Festkreis schließt, ist auch der Festtag der geweihten Kerzen und des Lichtes. Gleichzeitig ist es einer der ältesten Marienfeiertage im Kalenderjahr. An Maria Lichtmess ist die dunkle Jahreszeit überwunden. Dieser Feiertag wird am 2. Februar jeden Jahres gefeiert und hat im bäuerlichen Brauchtum seinen festen Platz. Seinen Namen verdankt der kirchliche Feiertag der Kerzenweihe in der Kirche, wobei die Gläubigen ihre Kerzen der Kirche stifteten oder sie als Schutz gegen die Gefahren im bäuerlichen Alltag mit nach Haus nahmen. Die Kerze begleitete die Menschen durch das ganze Jahr und wurde zu den kirchlichen Feiertagen angezündet. Zur Taufe, Kommunion und am Sterbebett leuchteten die zu Lichtmess geweihten Kerzen. Sie zierten den Christbaum und brannten zu Allerseelen an den Gräbern.

Die geweihte schwarze Wetterkerze wurde bei einem heraufziehenden schweren Gewitter angezündet. Neben der geweihten Sterbekerze hatte der kunstvoll verzierte Wachsstock als Geschenk für viele Gelegenheiten eine große Bedeutung.

Vor Maria Lichtmess gab es früher in Traunstein, Trostberg und Wasserburg Märkte, auf denen die Wachszieher ausschließlich Kerzen, Wachsstöcke und Votivgaben aus Wachs angeboten haben. In unserer Zeit gibt es noch in Tann in Niederbayern (Nähe Simbach am Inn) einen so genannten "Wachsmarkt" in der Woche vor Maria Lichtmess. Dieser ist aber eher ein winterlicher Kramermarkt und hat mit der ursprünglichen Bedeutung nur mehr wenig zu tun.

In Bayern und im Fünfseenland setzte man sich am Lichtmessabend in der Stube zusammen und zündete für jeden Anwesenden eine Kerze mit seinem Namen an. Man betete gemeinsam bis alle Lichter abgebrannt waren den Rosenkranz. Wenn eine Kerze flackerte, so bedeutete dies meist Krankheit für die entsprechende Person, wenn ein Licht gar ausging, so war dies ein Vorbote des Todes.

Noch ein weiterer Grund machte den Lichtmesstag am 2. Februar wichtig für die Menschen dieser Region: An diesem Tag wechselten die Mägde und Knechte ihren Arbeitgeber und Lohn für das vergangene Jahr sowie Zinsen und Pachten wurden an diesem Tag fällig.

Danach bekamen die Angestellten ihren Eintrag in ihr Wanderbuch und zogen sodann aus, um sich einen neuen Hof und eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Doch erst einmal musste gefastet werden und zwar bis Aschermittwoch, dann begann man seinen neuen Dienst. In einer Gesindeordnung des Königreiches Bayern von 1895 heißt es: - Mit Haft bis zu drei Wochen werden Dienstboten bestraft, die sich dem Arbeitsverhältnis entziehen-. Dies war geltendes Recht bis zum Jahr 1918.

Quelle: Paul Ernst Rattelmüller, "Bayerisches Brauchtum im Jahreslauf" 1985